Eine neue Smartphone-App verspricht Käufe von Aktien und ETFs für eine Minigebühr. Unser Selbstversuch zeigt:
Das Angebot von Trade Republic taugt etwas, hat aber seine Tücken.
Ich bin kein Trader, der ständig von Aktie zu Aktie springt. Einige Werte in meinem Depot halte ich seit über
zehn Jahren. Und
doch: Allein für Kauf und Verkauf von Wertpapieren, ob Aktie, Anleihe oder Fonds, habe ich in den vergangenen
zehn Jahren
rund 1500 Euro Gebühr gezahlt. Dabei bin ich Kunde relativ günstiger Direktbanken. Für Depot und Konto zahle ich
nichts; für
Kauf und Verkauf eines Wertpapiers aber schon, meist ab zehn Euro pro Order. Auch so kommt einiges zusammen.
Eine neue Smartphone-App verspricht mir Besserung: Trade Republic heißt sie - und bietet Kauf und Verkauf von
6500 Aktien, 40.000 Derivaten
sowie 500 ETFs an, zu je einem Euro Gebühr, egal, wie viel oder wenig ich investiere. Das Konzept stammt aus den
USA, wo
Anleger über die Smartphone-App Robinhood schon seit Ende 2014 kostenfrei handeln können. Sechs Millionen Konten
zählt
Robinhood mittlerweile. Trade Republic ist ein Newcomer, zählt nach eigenen Angaben "mehrere Tausend" aktive
Kunden.
Können Kunden ihm vertrauen - und taugt das Angebot überhaupt etwas? Die WirtschaftsWoche hat es im
Selbstversuch
getestet.
/// AUF DEN TAGESVERLIERER GESETZT // .
Bei der Order-Abwicklung kooperiert das Berliner Start-up mit der Großbank HSBC, Ein- und Auszahlungen laufen
über die
Solarisbank, ein Berliner Start-up mit eigener Banklizenz. Gehandelt wird am elektronischen Handelssystem der
Börse
Hamburg, LS Exchange, von 7.30 bis 23.00 Uhr. Der Handel dort wird vom Düsseldorfer Finanzdienstleister Lang &
Schwarz
betrieben, unter Aufsicht der Börse Hamburg. Die Kurse sind direkt an die Computerbörse Xetra gebunden, soweit
die offen
und der Wert dort handelbar ist. Als Wertpapierhandelsbank wird Trade Republic von Bundesbank und Finanzaufsicht
BaFin
beaufsichtigt.
Ich lasse mich auf einen Test ein. Auf der Website von Trade Republic trage ich meine Handynummer ein und klicke
auf
"Loslegen". Auf mein Smartphone wird mir ein Link geschickt, dort muss ich die App installieren, persönliche
Daten eingeben
und mich per Video-Ident-Verfahren identifizieren. Mit meinem Samsung-Handy klappt das nicht, auf dem iPad dann
schon -
wenn auch erst nach 20 Minuten Wartezeit. Auf dem Sofa zu Hause bestätige ich im Videochat erneut einige Daten,
bewege
meinen Personalausweis hin und her, damit die Mitarbeiterin eines Dienstleisters die Sicherheitsmerkmale
kontrollieren kann.
Am nächsten Tag überweise ich Geld zu Trade Republic, damit ich dort wirklich handeln kann. 50 Euro zahle ich
ein. Bei
normalen Brokern wäre das Wahnsinn: Ein so geringer Einsatz würde nicht lohnen, da die Gebühren leicht jeden
Gewinn
überstiegen. Bei nur einem Euro Ordergebühr können sich aber selbst kleinere Käufe rechnen. Und ich will den
Service ja erst
testen.
Einen Tag später ist das Geld da. Ich kann loslegen. US-Präsident Donald Trump drückt gerade die Börsenstimmung.
Autohersteller und ihre Zulieferer stehen im Fokus: Mögliche Strafzölle und eine Eskalation des Handelskonflikts
zwischen den
USA und China könnten ihr Geschäft belasten. Die Aktie von Chiphersteller Infineon gehört zu den größten
Tagesverlierern im
Dax. Zeit, gegenzuhalten: Mit nur 18,80 Euro je Aktie reicht selbst mein Spielgeld für zwei Aktien.
In der App von Trade Republic finde ich mich schnell zurecht: Die Suche nach "Infineon" führt zum Tageschart,
ein Klick auf
"Kaufen" zeigt mir die Ordermaske. Ich vergleiche parallel die Echtzeitkurse im Xetra-System, und mein
Kaufauftrag wird
tatsächlich zum aktuellen Xetra-Preis ausgeführt. Nach dem Kauf kann ich eine "Kosteninformation" einsehen, nur
ein Euro
"Fremdkostenzuschlag" wird fällig. Das Preisverzeichnis ist überschaubar, die meisten Dienstleistungen sind
kostenfrei.
Bezahlen müsste ich zum Beispiel für die Anmeldung zur Hauptversammlung (25 Euro) oder bei ausländischen Aktien
ab 15
Euro Dividendenzahlung (5 Euro). Bei meinen Direktbanken wäre so etwas inklusive.
/// INFOTEXTE AUS WIKIPEDIA // .
In der App kann ich nachverfolgen, wie sich mein Einsatz entwickelt: weniger gut. Nach zehn Tagen sind von
eingezahlten 50
Euro noch 45,60 Euro übrig. Infineon hat rund neun Prozent verloren. "Halbleiterwerte leiden unter Sorge um
Huawei-Lieferbeziehungen", meldet eine Nachrichtenagentur. Erste Lektion: Auch niedrige Gebühren schützen nicht
vor
Verlusten. Gut, dass ich nur Spielgeld eingesetzt habe.
Mich interessiert, wie Trade Republic so günstig sein kann. US-Vorreiter Robinhood geriet zuletzt in die Kritik:
Das
Geschäftsmodell basiere überwiegend auf Rückvergütungen. Sprich: Kauf- und Verkaufsaufträge würden an
Spezialfirmen
weitergeleitet, die diese ausführten - und Robinhood mit Rückvergütungen belohnten. Für die Spezialfirmen sind
Orders bares
Geld. Sie bringen Käufer und Verkäufer direkt zusammen und streichen die übliche Spanne zwischen Kauf- und
Verkaufskursen selbst ein. Kritiker fürchten aber Interessenskonflikte: Aufträge von Robinhood-Kunden würden
nicht
unbedingt dort ausgeführt, wo mit dem besten Preis zu rechnen sei, sondern dort, wo Robinhood die höchste
Rückvergütung
kassiere. Es geht um Kleinstbeträge. Doch bei Milliardenumsätzen summieren sich auch die. Robinhood reagierte
auf die
Kritik und führt Order nun selbst aus.
Auch Trade Republic kassiert Rückvergütungen für die Weiterleitung von Kundenaufträgen. Auf der Website wird das
erwähnt.
Bis zu drei Euro pro Order sind es laut "Kundenvereinbarung". Die wurde mir nach der Registrierung als PDF-Datei
in der App
eingestellt. Kaum ein Nutzer wird sie lesen. Ich muss mein Handy querhalten und heranzoomen, um den Text zu
entziffern.
Kunden erklären sich einverstanden, "dass Trade Republic diese Zahlungen vereinnahmt und behalten darf". Gründer
Christian Hecker findet das Modell unproblematisch: Die Kurse bei Trade Republic seien zu Xetra-Handelszeiten an
die
dortigen Kurse gebunden. Kunden drohten keine Nachteile. Außerdem seien die Ordergebühren nicht nur dank
Rückvergütungen so niedrig. "Wir haben unser IT-System völlig neu aufgesetzt und mussten keine alte Technik
integrieren."
Eine Order werde in 16 Schritten automatisiert abgewickelt. Die Kosten seien so viel niedriger als bei anderen
Banken.
Mein Test verläuft weitgehend reibungslos. Nur sind viele Indexfonds (ETFs), die ich im Depot halte, bei Trade
Republic nicht
verfügbar - etwa ein ETF der Fondsgesellschaft Lyxor auf den MSCI All Country World Index. Einen ETF auf den
Index gibt es
auch in der App, aber von einem anderen Anbieter. Das wäre ein Problem, wenn ich komplett zu Trade Republic
wechseln
wollte. Noch geht ein solcher Depotübertrag nicht. Im Laufe des Jahres will Trade Republic ihn aber ermöglichen,
sagt
Gründer Hecker - allerdings nur für Wertpapiere, die sich dort handeln lassen.
Die Suchfunktion zeigt bei ETFs zudem Schwächen. Tippe ich den Namen des Weltaktienindex MSCI World ein, zeigt
Trade
Republic mir ein Wertpapier mit diesem Namen an. Nur ist der Index selbst nicht handelbar. Erst weiter unten
steht als Name
"iShares MSCI World" und die dazugehörige Kennnummer. Mit etwas Vorwissen merke ich, dass es sich um einen ETF
der
Fondsgesellschaft iShares auf den Index handelt. Das ginge klarer.
Auch die Analysefunktionen der App sind dürftig. Die "Informationen" zu einzelnen Aktien zeigen Wikipedia-Texte
- nicht ganz
aktuell und nicht unbedingt fehlerfrei übernommen. So soll Infineon laut Beschreibung bei Trade Republic 2015
einen Umsatz
von 5795 Milliarden Euro gemacht haben. Tatsächlich waren es 5,795 Milliarden Euro - und 2015 ist lange her. Zum
Spätsommer solle es mehr Analysefunktionen und aktuelle Informationen geben, beruhigt mich Gründer Hecker. Er
ist in der
Finanzszene nicht neu, hat früher im Investmentbanking der US-Bank Merrill Lynch gearbeitet.
Andere Discount-Broker geben sich zum Start von Trade Republic entspannt. Das Angebot unterscheide sich
deutlich, heißt
es etwa beim Broker Degiro, der mit Xetra-Aktienkäufen ab zwei Euro Gebühr bislang Preisführer war. "Wir bieten
echten
börslichen Handel auf vielen weltweiten Hauptbörsen", sagt Manuel Suckart, Degiro-Manager für Deutschland,
Österreich und
die Schweiz. Trades an US-Börsen würden günstiger, schon ab 0,50 Euro pro Order, und 200 ETFs gebührenfrei
angeboten.
Auch bei meinen Direktbanken kann ich ETFs über Sparpläne oft gebührenfrei kaufen. Nur beim Verkauf wäre Trade
Republic
für mich günstiger.
Suckart rechnet nicht damit, dass etablierte Anbieter ihre Gebühren wegen der neuen Konkurrenz senken werden.
Beim Start
von Degiro, 2014, hätten die auch nicht so reagiert. Stattdessen hätten sie sich zusammengeschlossen: DAB und
Consorsbank, Comdirect und Onvista. "Dieser Trend könnte sich fortsetzen." Um weniger für Aktienkäufe zu zahlen,
bliebe
Anlegern dann nur eine Wahl: zu wechseln.
ZITATE FAKTEN MEINUNGEN
"Wir haben unser System neu aufgesetzt und mussten keine alte Technik integrieren" Christian Hecker Gründer
von Trade
Republic.
"Anders als Trade Republic bieten wir Handel auf weltweiten Hauptbörsen" Manuel Suckart Regionalmanager beim
Konkurrenten Degiro.
Bis zu 3 Euro Rückvergütung bekommt Trade Republic pro Kundenorder, im Schnitt einen einstelligen Cent-Betrag
pro 100
Euro Investment. Kunden selbst zahlen einen Euro Gebühr.
Hoyer, Niklas